Page 27 - Leseprobe
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>>Ich will wieder los - an die Küste. Willst du mit?<< Alfred schaute Renate fragend,
eigentlich bittend an. Er mochte es, wenn sie mit ihm kam, auf seinen täglichen
Beobachtungsfahrten mit dabei war. Er wollte, was er sah, gerne mit ihr durchsprechen; es
half ihm beim Denken und Auswerten dessen, was er beobachtet hatte. Für ihn waren diese
Fahrten an die Ostsee in den letzten Wochen und Monaten zum Lebensinhalt geworden, denn
jede neue Erkenntnis brachte ihn einen winzigen Schritt näher heran an sein Ziel. Die
Unbequemlichkeiten des Wetters, der Kälte, des Regens und der ewigen Geheimnistuerei
waren für ihn ein Nichts, verglichen mit der Unruhe, die in ihm brannte, wenn er nicht direkt
an seinen Fluchtplänen arbeitete.
Für Renate war das anders.
>>Ich hab heute keinen Bock«, antwortete sie. Es war ein grauer, diesiger Tag und der
Gedanke, stundenlang im kalten Wind an der Ostsee zu stehen, reizte sie nicht.
>>Wir könnten bis Rostock fahren<<, schlug Alfred als Köder vor, >>und mal sehen, was
sie da in der HO haben<<.
»Na ja, wenn du das machst, komm ich mit<<.
Je näher sie an die Küste kamen, desto stärker wurde der Nebel, bei Bastorf herrschte die
dickste Suppe.
>>Nati, gut daß wir losgefahren sind<<, sagte Alfred bester Laune, >>bei solchem Wetter
wollen wir ja flüchten. Jetzt müssen wir die Augen aufmachen und sehen, was hier los ist. Gut,
daß du mitgekommen bist<<.
Am Ortseingang nach Kühlungsborn, an der scharfen Kurve am Anfang der Fritz-Reuter-
Straße, kamen sie in eine Straßensperre. Ein Auto der Volkspolizei hatte sich hier aufgebaut
und hielt mit Warndreieck und Kelle jedes Fahrzeug, das nach Kühlungsborn reinwollte, an.
>>Deutsche Volkpolizei, guten Tag. Ich bin Obermeister X und das ist Polizeihelfer Y. Darf
ich Sie bitten, auszusteigen. Und Ihre Fahrzeugpapiere, bitte<<.
Diese Straßensperren, die als Fahrzeugkontrollen kaschiert wurden, waren ein Trick, den
sich das Regime in den letzten Jahren hatte einfallen lassen, um bei bestimmten Wetterlagen
Leute, wie Alfred, schon vor der Flucht abzufangen. Um die Schießerei auf der Ostsee, vor den
Augen der internationalen Schiffahrt zu vermeiden, stellten Honecker und Co an
strategischen Punkten der gesamten Ostseeküste zu kritischen Zeiten, wie zum Beispiel bei
Nebel, diese Straßensperren auf. Die waren meist mit einem VoPo und zwei oder drei
Freiwilligen bemannt.
Alfred und Renate stiegen aus, die Männer kontrollierten die Papiere und zeigten sich
geschäftig an den Reifen und der Beleuchtung, der Kofferraum mußte inspiziert werden. Und
dann die kritische Frage: