Page 22 - Leseprobe
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>>Na, hoffen wirs<<, fügte Renate hinzu. Alfred sagte lieber nichts. Er kannte die Ostsee
und wußte, daß sich die Bedingungen auf See schnell ändern konnten. Und direkt nach den
Grenzbooten war das Wetter seine größte Sorge. Doch die Aufgabe, die jetzt vor ihm lag, war
die Wasserung, das Ausprobieren des Motors und die Notwendigkeit, Übung zu bekommen
beim Rudern.
Doreen, die als Ausguck vorgesehen war, kauerte sich mit dem Fernglas an die Spitze des
Bootes hinter den Spritzlappen. Alfred und Marco setzten sich beide auf die Bank und
nahmen jeder ein Paddel. Renates Platz war im Heck, am Motor - mit dem Kompaß.
>>Zuerst rudern wir mal ein Stück<<, schlug Alfred vor. Die beiden Männer probierten ein
bißchen herum, bis sie einen gemeinsamen Rhythmus gefunden hatten. Da machte es dann
richtig Spaß. Als sie ein gutes Stück auf den See hinaus gekommen waren, sagte Alfred:
>>So, nun wollen wir mal das Kurs halten üben. Renate, dein Kurs ist NNW<<.
Sie holte den Kompaß aus der Jacke.
>>Ihr müßt nach da fahren<<, sagte sie und deutete mit dem Daumen nach links. Marco
brachte den Bug mit ein paar Ruderschlägen in die gewünschte Richtung.
>>Und wenn wir jetzt abweichen<<, sagte Alfred zu Renate, >>gibt du nur demjenigen ein
Zeichen, der stärker rudern muß<<. Zwar gab sie zuerst ein paar Mal dem falschen Ruderer
ihr Zeichen zur Kurskorrektur, aber dann hatte sie den Bogen schnell raus.
In einer kräftigen Böe schlug das Boot hart gegen die Wellen.
>>Alfred, die Nadel steckt fest<<, sagte sie, >>das ist bestimmt jetzt nicht Norden<<.
Der Kompaß, mit dem sie hier auf dem Wasser operierten, war nichts als ein einfacher
Marschkompaß, wie er bei den Manöverspielen der Jungen Pioniere benutzt wurde. Solange
die Horizontalebene ungestört blieb, gab‘s keine Probleme. Doch sobald das Boot
durch einen Wellenstoß eine Schlingerbewegung machte, blieb die Magnetnadel stecken.
>>Leg mal die Hand mit dem Kompaß nicht direkt aufs Knie, sondern halt sie frei
schwebend, dann wird die Nadel nicht so stark erschüttert und bleibt dann hoffentlich auch
nicht stecken<<.
Renate versuchte es so, und, tatsächlich, der Kompaß funktionierte wieder.
Für die eigentliche Flucht hatte Alfred sich mit Hilfe der fast täglichen Peilungen auf der
Karte seinen Fluchtplan ausgearbeitet: zwischen den Grenzbooten hindurch nach NNO, dann
den Kurswechsel nach NNW, um das Schiff, das vermutlich vor Dänemark lag, zu vermeiden,
und schließlich nach W, rechtzeitig genug, um nicht dem vor Fehmarn kreuzenden
Grenzboot in die Fänge zu geraten. Die Seemeilen hatte er auf der Karte berechnet, aber für
die eigene Positionsbestimmung auf dem Wasser würde er auf der Flucht nur den Kompaß
und seine Armbanduhr haben. Er mußte also hier auf dem Schwerirrer See eine Vorstellung
davon gewinnen, mit welcher Geschwindigkeit er und Marco würden rudern können. Auf