Page 17 - Leseprobe
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Jeder sah mit Sorge, wie er sich in sein Lieblingsthema zu verhaken drohte und um dem
vorzubeugen, holte sein Vater jetzt die Kömflasche und sobald sie alle ein Glas vor sich hatten,
stimmte er ein Lied an, denn die Kostbades waren allesamt begeisterte Sänger. >>Ein Prosit,
ein Prosit<< bildete den Auftakt, beim zweiten Glas sangen sie dann >>Prost, prost, prost, nu
geiht dat wedder los<< und da man jetzt einmal im Platt war, ging‘s weiter mit dem
Hamburger Veermaster. Danach leitete Alfred über zu >>Wem Gott will rechte Gunst
erweisen<< und sah Renate bedeutungsvoll an bei den Worte >>den schickt er in die weite
Welt<<.
Nach diesem Lied war die Stimmung jedoch verflogen, so daß Gudrun aufstand, um in der
Küche den Abwasch zu machen, bei dem Marco ihr half. Sie sprachen von seiner vor wenigen
Monaten beendeten Elektrikerlehre, seiner ersten Arbeitsstelle im VEB Getreideverarbeitung
und von seinem Führerschein, den er gerade gemacht hatte.
>>Und<<, fragte Gudrun, >>hast du deinen Namen schon auf die Liste gesetzt für einen
Trabi?<<
>>NÖ<<, antwortete Marco wegwerfend, >>SO nen Scheiß will ich doch nicht haben<<.
Gudrun sah ihn fragend an. Da man ohnehin vierzehn Jahre lang auf das Auto warten
mußte, war die Mühe, sich gleich nach dem achtzehnten Geburtstag ein Auto zu bestellen, ein
so kleiner Einsatz, daß kein junger Mann in der DDR es versäumte. Wenn man den Trabi
nachher wirklich nicht wollte, konnte man ihn leicht verkaufen.
>>Keinen Trabi?<< fragte Gudrun daher ungläubig. Aber Marco zuckte nur mit der Schulter
und verzog abschätzig den Mund.
Zwischen dem üppigen Mittagessen und dem nachtäglichen Kaffee und Kuchen brauchten
alle ein bißchen Bewegung. Die Männer gingen raus bis hin zu Willy Kostbades
Hühnerauslauf an der Warbel, begutachteten die Tiere und diskutierten über die Vorteile der
Flugente gegenüber der Pekingente. Dann inspizierten sie die Rauchkammer, in der zwei
Vögel hingen, von denen einen Alfred bekam, den anderen Gerd.
Schließlich gingen sie zu den Autos und sahen sich ihre gegenseitigen Besitztümer genau an.
>>Ich seh, du hast jetzt einen Lada<<, sagte Gerd zu seinem Schwager, >>gefällt dir der?<<
>>Ja, nicht schlecht<<, erwiderte Alfred, >>ich hab ihn vor allem wegen des größeren
Kofferraums gekauft<<.
Während die Männer draußen waren, machten die Frauen zu dritt in der Küche die Torten
für den Kaffeetisch fertig. Alfreds Mutter hatte schon heute morgen ihre berühmte
Butterkreme gerührt. Gläser mit eingemachtem Obst wurden geöffnet, Schlagsahne
geschlagen, Tortenböden durchgeschnitten, belegt und mit dem Spritzbeutel verziert, Kekse
aus der Dose geholt und der Kaffeetisch gedeckt.