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Im Februar hatte Alfreds Mutter Geburtstag, der an einem Sonnabend gefeiert wurde, damit
alle Familienmitglieder daran teilnehmen konnten. Willy und Hilde Kostbade wohnten in
Gnoien. Willy war Postmeister und hatte eine wunderschöne Dienstwohnung im ersten Stock
des Postgebäudes am Markt.
Die Fahrt von Neubukow nach Gnoien war selbst für Alfred und Renate, die ja täglich auf
Achse waren, ein seltenes Ereignis, das nur zu Familienfesten passierte. Denn die 75-
Kilometer-Strecke führte erst auf der Transitstraße 105 nach und durch Rostock und dann auf
der 110 nach Gnoien.
Doreen war nicht mitgekommen, denn sie hatte am Montag eine schwere Prüfung und
wollte das ganze Wochenende zum Lernen benutzen.
>>Also, ihr wißt<<, sagte Alfred während der Autofahrt, >>in Gnoien kein Wort von
unseren Fluchtplänen. Wenn wir tatsächlich wegkommen und es stellt sich hinterher heraus,
daß Opa davon wußte, dann ist er seine Stellung als Postmeister sofort los. Davor müssen wir
ihn schützen<<.
>>Ja, aber<<, wandte Marco ein, >>er kann doch einfach sagen, daß er nichts davon
wußte<<.
>>Ha<<, lachte Alfred kurz und bitter, >>du hast doch selber erlebt, wie die Staatssicherheit
arbeitet. Wenn die glauben, du weißt was, dann kriegen die das auch aus dir heraus. Die sind
von Psychologen und wer weiß was für Scheißern darin geschult, dich so aufs Kreuz zu legen,
daß du dich selber verrätst<<.
>>Verplapperst, meinst du?<<.
>>Ja, verplapperst<<.
>>Und wie ist es mit dem Ausreiseantrag?<< fragte Marco.
>>Natürlich auch kein Wort davon. Stell dir mal vor, wir erzählen in Gnoien davon. Das
MfS will uns doch zu gerne an der Ausreise hindern. Die werden sich doch nicht die
Gelegenheit entgehen lassen, die Familie zu testen, ob sie was wissen, ob wir von dem Antrag
erzählt haben. Welche Vorwürfe würden sich Oma und Opa oder Gudrun und Gerd hinterher
machen, wenn durch sie unser Antrag auffliegt. Die Staatssicherheit, die kann noch viel
gemeiner werden, als wir sie bisher erlebt haben. Eine der fiesesten Sachen ist ja die
Sippenhaft - genau wie bei Adolf<<.
>>Ja<<, sagte Renate, >>und tun immer so dick antifaschistisch. Die kotzen mich an<<.
Marco gings durch den Kopf, daß dies vielleicht die letzte Fahrt nach Gnoien sein könnte. In
Gnoien hatte er bei Oma und Opa die schönsten Sommerferien verbracht. Da waren die
Glaskirschen, die Opa in seinem Hühnerauslauf stehen hatte. Als Marco noch klein gewesen
war, da waren auch diese Bäume noch niedrig, und er hatte nicht so viele essen dürfen, wie er