Page 16 - Leseprobe
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                 Alfreds Schwester Gudrun und ihr Mann Gerd mit ihren beiden kleinen Jungs waren schon

               da, als die Neubukower ankamen. Der Geburtstag begann mit einem gemeinsamen
               Mittagessen. Drei  Enten hatten  schon vor  ein paar Tagen ihr Leben lassen  müssen,  waren
               gerupft und abgehangen. Bei der Ankunft von Alfred und seiner Familie bruzzelten die Vögel

               im Ofen. Der eingeweckte Rotkohl war ursprünglich aus Willy Kostbades Garten. Ebenso die
               Kartoffeln.

                  Beim Nachtisch,  eingewecktes Kirschkompott  mit  Griespudding, sprach man zuerst vom
               Warenangebot in der HO.

                  >>Ich würde so gerne mal ein paar schöne Apfelsinen für die Kinder haben, oder ne Banane,
               oder mal eine gute Tafel Schokolade, aber nach Gnoien kommt so was nicht<<, sagte Gudrun.

                  >>Ach, da fällt mir ein, wir haben euch jeder eine Dose Ananasscheiben mitgebracht<<,
               sagte Renate und sah ihre Schwiegermutter und Gudrun an, >>die haben wir in Schwerin
               gesehen. Marco, hol die Dosen mal aus dem Auto<<.

                  >>Ja, steht zwar Scheiben drauf,,, sagte Alfred, >>es sind aber nur Stücke drin, oder du
               könntest auch sagen: Ananasmatsch. Die  wollte wohl auf dem Weltmarkt sonst niemand

               haben<<.
                  >>Ananas?<< fragte Gudruns Sechsjähriger, >>was ist denn das?<<
                  >>Wächst in Dosen<<, spöttelte Alfred.

                  Dann  wandte sich das Gespräch dem Thema Auto zu und den Schwierigkeiten bei der
               Ersatzteilbeschaffung, und den schlechten Straßen.

                  >>Drüben sieht das alles anders aus, stimmt‘s, Vater?<< sagte Alfred nur.
                  >>Übrigens, da sollen wieder welche getürmt sein<<, sagte Gerd.

                  »So? Wo denn?«
                  >>Saßnitz, hab ich gehört. Stand natürlich nichts von in der Zeitung. Die sollen mit nem

               Boot rausgefahren sein und sind dann von der Skandinavienfähre aufgefischt worden«.
                  >>Ist ja komisch, daß die Grenzer die nicht bemerkt haben<<.
                  >>Die schießen jetzt nicht mehr so schnell, wenn da westliche Beobachter sind, hab ich

               gehört. Weil jeder Schuß im Westfernsehen breit ausgewalzt wird<<.
                  >>Na, Gott sei Dank<<.

                  ,,Ja, nur haben sie jetzt noch mehr Kontrollen innerhalb des Staatsgebiets. Habt ihr das auch
               schon mal erlebt?<<
                  >>Was? Hier in Gnoien auch? Bei uns an der Küste fährst du bei Nebel nur noch von einer

               Sperre in die nächste. Mußt aussteigen, Kofferraum auf, Kühlerhaube hoch. Ein verrücktes
               Volk<<. Alfred schüttelte bei diesen Worten den Kopf.
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