Page 34 - Leseprobe
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Seit weit über einem Jahr beobachtete Alfred nun schon das Wetter täglich, um sicher zu
gehen, daß er die bestmögliche Wetterlage für den Zeitpunkt der Flucht wählte. Das Problem
im Küstengebiet war, daß in N eubukow, sechs Kilometer entfernt von der Mecklenburger
Bucht und nicht mehr als zwölf Kilometer von Kühlungsborn, ein völlig anderes Wetter
herrschen konnte, als am Wasser. Außerdem konnte es in kürzester Zeit umschlagen, mit
einer Launenhaftigkeit, die seine Planungen sehr erschwerte. Und wie es zudem weiter
draußen aussah, darüber hatte er ja sowieso keine Informationen.
Er verfolgte die Wettervorhersagen im Fernsehen und im Radio, besonders auch diejenigen
aus dem Westen, und sah, daß das Wetter, das sie einen halben Tag vorher in Harnburg
hatten, zwölf Stunden später in Mecklenburg herrschte. Mit größter Zuversicht verfolgte er
regelmäßig den Seewetterbericht des Senders >Radio Schleswig-Holstein<. Im Heizhaus des
Betriebes begannen die Kollegen bereits darüber zu witzeln, daß er in regelmäßigen
Abständen das Radioprogramm auf Wetter umschaltete.
»Wat has du blod ewig mit dat Wäder?<<
»Laßt mich doch mal eben hören<<, sagte er dann, »ich will nachher zum Angeln<<.
Und wenn das Wetter ihm interessant erschien, dann verschwand er kurz darauf aufs Silo,
um sich zu vergewissern, wie es auf der Ostsee aussah.