Page 20 - Leseprobe
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                  An einem windigen Sonntag im Juni machte die Familie Kostbade  einen Ausflug zum

               Schwerirrer See.  Hinten im Kofferraum  des Lada lagen der Motor, das zusammengefaltete
               Schlauchboot, die Paddel und der Tank, die Filzhaube für den Motor und das schmale Brett,
               das als Sitzbank diente. Die drei Bretter für den Boden des Bootes paßten nicht in  den

               Kofferraum und mußten daher aufrecht hinter den Vordersitzen verstaut werden. Aus diesem
               Grunde gewann Marco mit  seinen langen Beinen  den Beifahrersitz  neben seinem Vater,

               Renate und Doreen plagten sich hinten mit den Brettern ab.
                  Und im Kofferraum lag noch etwas aus Alfreds  Erfinderwerkstatt:  ein großer,

               selbstgemachter Blasebalg, der das kleine Dingelchen von Pumpe ersetzte, die als Zubehörteil
               zum Schlauchboot mitgeliefert worden war und das Aufpumpen auf etwa anderthalb Stunden

               hinauszögerte. Soviel war Alfred von Anfang an klar gewesen, das Pumpen mußte schneller
               gehen, sehr viel schneller - und auch weniger Energie verbrauchen, da er ja hinterher noch
               stundenlang würde rudern müssen.

                  Den Blasebalg Marke Eigenfabrikation hatte er aus zwei etwa dreieckförmigen Holzbrettern
               hergestellt,  die an einer  Längsseite durch zwei  Lederriemen verbunden waren. Das  Ganze

               hatte  er mit luftundurchlässigem Öltuch bespannt, an der Breitseite zwischen den beiden
               Brettern für den Lufteinlaß ein Klappenventil befestigt und an dem spitzzulaufenden Ende
               einen Schlauch, der in die Bootsventile paßte. Der fertige Blasebalg war das Ergebnis vieler

               Abende pusseliger Arbeit, da er jedes Einzelteil aus unzureichendem Material mit zum Teil
               ungeeignetem Werkzeug basteln mußte. Aber nach verschiedenen Versuchen und einigen

               Fehlschlägen hatte  er jetzt eine Pumpe, von  der man glauben  konnte, daß sie nicht im
               entscheidenden Moment auseinanderfallen würde. Alfred und auch Marco hatten das Boot

               schon mehrfach damit aufgeblasen, mit zehn bis zwölf Pumpbewegungen pro Kammer ging
               das nunmehr ruck-zuck.

                  Alfred hatte für die Testfahrt den Schweriner See ausgesucht, weil er weit genug weg war
               von Neubukow und weil er ihn von seiner Jugend her gut kannte. In Schwerirr hatte er seine
               Lehrlingsausbildung gemacht und in der Zeit dort im Internat gewohnt. Im Sommer hatten er

               und seine Freunde damals oft am See gezeltet. Er kannte also die überlaufenen Stellen am
               Innensee rund um das Schloß herum - hier würde man mit dem Schlauchboot in Leuchtfarbe

               Pink zu viel Aufmerksamkeit  erregen und  ein  wichtigtuerischer  VoPo würde ihnen  sehr
               schnell sagen, daß hier dies und jenes nicht erlaubt ist, möglicherweise sogar die Personalien
               überprüfen.

                  Außerdem war hier die Weiße Flotte stationiert, die mit ihren Ausflugsbooten die Touristen
               über den See fuhr.  Es wäre nur zu leicht,  einem dieser Schiffe  mit dem  kostbaren
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