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                  >>Was machen wir bloß mit dem ganzen Geld?« sagte Renate, >>Nehmen wir das mit in

               den Westen?<<
                  Eine berechtigte Frage.
                  Sie hatten eine Menge Geld auf der Bank liegen, da sie ihr Leben lang gearbeitet und gespart

               hatten. Statt je Urlaub zu machen, hatten sie sich jeden Sommer viel Arbeit mit den Bienen
               gemacht. Der Bienenwagen mit den fünfzig Völkern mußte, je nach Blüte, an einen neuen

               Standort gebracht werden. Renate war ununterbrochen am Honigschleudern, denn für jedes
               Glas zahlte der Staat 14 Mark. Das war der beste Verdienst, den man haben konnte. So hatte

               Alfred jedenfalls geglaubt. Jetzt wußte er, daß es nichts als harte Arbeit gewesen war. Und
               dafür hatte man ihm Spielgeld gegeben. Der Staat, der ihm den Honig abnahm, exportierte

               ihn  - für Valuta. Mit dem, was für die harten Devisen auf dem Weltmarkt gekauft wurde,
               machte das Regime aber nur die Genossen in Wandlitz glücklich, nach Neubukow kamen nur
               sozialistische Produkte, und selbst die in spärlichen Mengen. Der Betrug, der hinter diesen

               Transaktionen lag, war Alfred erst im Laufe seiner Westreise aufgegangen.
                  >>Aber Geld ist doch Geld<<, sagte Renate verständnislos.

                  >>Hm, aber für unser Geld kannst du nichts kriegen<<.
                  >>Doch. Wir kaufen doch täglich damit ein<<.
                  >>Schund kannst du dafür kriegen. Aber wenn du was Gutes willst, was Besseres jedenfalls,

               mußt du ins Delikat gehen oder ins Russen-Magazin. Und du kennst ja die Preise da. Denn da
               kennen sie den wahren Wert  unseres Geldes  -  und nehmen‘s entsprechend.  Oder aber du

               mußt gleich mit Westgeld kommen<<.
                  >>Ja, aber die ganze Arbeit, die wir da reingesteckt haben, die ist doch was wert!<<

                  »Richtig, da liegt eben der Betrug. Irgendwer sahnt da nämlich ab. Rate mal, wer<<.
                  >>Und nun? Was machen wir also mit dem Geld? Einfach liegen lassen?<<

                  >>Ausgeben  wär das  Richtigste. Aber  wofür? Wir dürfen jetzt unter keinen Umständen
               auffallen dadurch, daß wir plötzlich auf großem Fuße leben. Aber was Gutes zu essen, das
               können wir schon machen - wenn wir was finden<<.

                  >>Ich könnt mir Schmuck kaufen<<, schlug Renate vor, >>der nimmt auch im
               Schlauchboot keinen Platz weg<<.

                  >>Schmuck, das wäre vielleicht eine Idee. Wir gucken mal im Exquisit, was die da haben<<.
                  Aber die Preise für Schmuck waren so erschreckend, daß es ihnen nicht leicht fiel, das
               schwer verdiente Geld für so ein winziges Stück, wie einen Ring auszugeben. Denn solche

               Summen hatten sie nun auch wieder nicht. Hinzu kam, daß weder Alfred noch Renate sich in
               ihrem persönlichen Wert höher schätzten, wenn sie sich mit Schmuck behängt hätten. Letzten
               Endes kauften sie aber doch einen Ring und eine Brosche, es war schließlich die einzige

               Geldanlage, die ihnen offenstand.
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